Jānis Avotiņš aktuelle Arbeiten zeigen sublime Szenerien vereinzelter Passanten vor Architekturkulissen wie auch Gruppierungen von Menschen, die an Berichterstattung politisch-gesellschaftlicher Ereignisse in historischen Zeitungen denken lassen. Kombiniert wird dieser Werkzyklus mit Malereien von sich in tänzerischen Posen befindenden Figuren. Avotiņš ist bekannt für seine diffusen und geheimnisvollen Gemälde von menschlichen Gestalten in undifferenzierten Räumen. Die zarten Erscheinungen seiner Figuren lassen eine ephemere Wirklichkeit erahnen. Schleierartig-nebulöse Farbgebung taucht die Motive in eine unzugänglich Stille, zugleich aber zeugen die Figuren von einer eindringlichen Präsenz. Gerade durch das Herauslösen aus einem Kontext und durch Metaphern von Auslassung und Leere reflektiert Avotinš u.a. die Mechanismen von kulturellen Symbolsystemen, Kollektivsymboliken oder Ideologien: Die Figuren ohne Umgebungseinbettung und somit zuordenbare Milieus oder Funktionen sind auf sich alleine zurückgeworfen. Avotiņš' künstlerische Praxis reflektiert somit stets subjetive und objektive Wirklichkeitskonstruktionen sowie die Auflösung und Transformation von gesellschaftlichen Strukturen und Wahrheiten.
Die Farben trägt der in Riga lebende Maler zumeist so fragil und in dünn lasierenden Schichten auf, dass die Leinwandstruktur in das Bild mit einbezogen wird und dabei die atmosphärische Wirkung seiner Gemälde unterstützt. Dunkle Farbpigmente, die an der Struktur haften bleiben und somit eine feine Körnung der Oberflächen entstehen lassen, erinnern an alte Fotografien oder Zeitungsbilder.
Auch Avotiņš' neue Werke lassen sein stetes Interesse an phänomenologischen Fragestellungen über das menschliche Bewusstsein erkennen. Darüber hinaus weisen einige Arbeiten rebellische Stimmungen und Motive auf. Seine Darstellungen von Tanz und Bewegung stehen für Leichtigkeit und Transzendenz und verkörpern gerade in Verbindung mit den stilleren und statischeren Motiven Begrifflichkeiten von Dynamik, Widerstand und Befreiung.
Jānis Avotiņš beschreibt seine Exploration historischer Motive folgendermaßen:
"In meiner Kultur, wo ich aufwuchs und wo meine Phantasie und Denkweisen sich herausbildeten, gab es keine 'Kunst', weil alle so genannte Kunst mehr oder weniger eine dekorative Ergänzung zur Ideologie des Kommunismus war. Eine Kunst, die als Kunst gemeint war, war nie stark genug, um meine Phantasie zu beeinflussen. Einen viel stärkeren Einfluss bekam ich durch die Bilder der Massenmedien, die Zeichen, die Banalitäten, die nie dazu gedacht waren poetisch, sondern 'informativ' zu sein. In meiner Kindheit empfand ich sie nicht als abstoßend, sie waren einfach da. Ich blicke auf diese Bilder in einer naiven Weise. Ich sehe die Kraft dieser Bilder, ein anderes mögliches Potential in ihnen. Die meisten dieser Bilder wurden abgedruckt und die Druckqualität war meist schlecht und dadurch waren sie poetisch, unklar und irgendwie mythologisch für einen unschuldigen Verstand."
Jānis Avotiņš wurde in Lettland geboren und hat an der Kunstakademie von Lettland studiert. Im In‐ und Ausland ist er mit zahlreichen Einzel‐ und Gruppenausstellungen präsent. Im Rahmen einer Nominierung für den „Prix Jean-Francois Prat“ werden aktuell Arbeiten von Jānis Avotiņš im Pariser Palais de Tokyo gezeigt.
(S. Kunz)
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