Was macht der Hund hinter dem Vorhang? Wundern sich die zahlreichen Freunde und Sammler des Künstlers Stephan Balkenhol, der seit 1988 in der Galerie Rüdiger Schöttle ausstellt und bisher immer klassische Einladungsmotive seiner skulpturalen Werke wählte. Der Sinn erschließt sich, betrachtet man die Ausstellung im Erdgeschoss der Galerie. Drei Skulpturen und sieben Zeichnungen werden hier präsentiert. Im zentralen Hintergrund, auf einem runden Tisch ähnlichen Sockel, steht die größte Skulptur, Femme burlesque, in aufreizender Pose ihre Nacktheit zur Schau stellend, Haupt- und Schamhaar in der lila Farbe des Feminismus akzentuiert. Dem gegenüber stehen zwei kleinere männliche Figuren am Eingang des Raumes. Ein Mann mit roter Jacke und entblößtem Unterkörper, der sich schamhaft die Hand vors Gesicht hält. Er steht vor dem Hintergrund eines mit prähistorisch anmutender Malerei versehenen Reliefs, das einen Krieger auf einem Wagen zeigt1, als Nacktheit noch als etwas "Normales" und als Attribut des Helden galt. Die dritte Skulptur, eine frei stehende Stele mit kleiner männlicher Figur darauf, ist von Kopf bis Fuß in einen schlichten grauen Anzug gesteckt. Den Kragen hält der Mann mit der Hand fest verschlossen. Umgeben wird dieses skulpturale Wechselspiel aus nackter Zurschaustellung und verklemmter Hochgeschlossenheit von zwei seitlich platzierten Gruppen von drei respektive vier Zeichnungen. Die dargestellten Männer und und Frauen wirken wie Betrachter der Szene und variieren im Ausdruck zwischen leichter Verblüffung, Skepsis, entspanntem Desinteresse oder Nachdenklichkeit. Einmal mehr ist es Stephan Balkenhol gelungen, aus mehreren individuellen skulpturalen und zeichnerischen Einzelwerken ein in sich stimmiges Ensemble zu gestalten, das sich subtil dem Thema Ent- und Verhüllung und deren Rezeption in der Gesellschaft widmet.
Der in Hamburg bei Ulrich Rückriem studierte Bildhauer widmet sich seit den 1980er Jahren der figürlichen Skulptur. Im Zentrum von Stephan Balkenhols Motivwelt stehen der Mensch, Tiere und phantasievolle Hybridwesen. Immer wieder variiert der Künstler die Körper von Männern und Frauen, zeigt sie häufig in neutraler Kleidung und ruhiger Gestik, manchmal aber auch ausgefallen inszeniert und mit unerwarteten Attributen ausgestattet. Obwohl keine Figur der anderen gleicht, erscheinen ihre Gesichter in ihrem Ausdruck rätselhaft typisiert, über dem Individuellen stehend, bewegt und still zugleich. Sie verweisen auf keine bestimmten Persönlichkeiten, illustrieren nicht und erzählen keine Geschichten. Ihre Deutung soll offen bleiben. Sie wirken zeitlos modern und zeigen sich unbeeindruckt vom hektischen Drang zum ständig Neuen und Spektakulären um sie herum. Kaum ein anderer zeitgenössischer Bildhauer findet ein modellhafteres Abbild des modernen Menschen. Dieser Ausdruck steht in einem gewissen Widerspruch zu der von Splittern, Kerben und Fugen übersäten Oberfläche, die von einem expressionistischen Schaffensprozess zeugt: die Figuren werden mit Motorsäge und traditionellen Holzwerkzeugen grob aus dem Holz gesägt, gehauen und geschnitzt. Gerade diese scheinbare Diskrepanz verleiht den Skulpturen und Reliefs ihre Faszination und macht sie so unverwechselbar.
Neben kleinformatigen Holzskulpturen und Wandreliefs für den Innenraum nehmen die Arbeiten für den öffentlichen Raum im Schaffen Stephan Balkenhols eine hohe Stellung ein. So wird im Mai 2013 in Leipzig das neue Richard-Wagner Denkmal, gestaltet von Stephan Balkenhol, eingeweiht. 2012 bespielte Stephan Balkenhol mit seinen Werken die Kasseler Kirche Sankt Elisabeth.
Stephan Balkenhol (*1957) lebt und arbeitet in Meisenthal, Frankreich, und in Karlsruhe, wo er seit 1992 eine Professur für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste inne hat.
1Frei nach einer prähistorischen Höhlenmalerei im heutigen Libyen, Tadrart Acacus, 12.000 v. Chr. - 100 n. Chr.
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