Die beiden neuesten Serien „d.o.pe.“ und „untitled#“ von Thomas Ruff sind Teil der Ausstellung „new work“ in der Galerie Rüdiger Schöttle. Die abstrakten Bildwelten dieser Werkgruppen sind durch zwei ganz unterschiedliche technische Herangehensweisen in den beiden vergangenen Jahren entstanden.
Für „d.o.pe.“ generierte Thomas Ruff psychedelisch anmutende Bilder mithilfe einer Computersoftware, die durch fraktale Muster in satten Farben eine enorme Sogwirkung erzeugen. Der Titel geht zurück auf den auto-biografischen Essay „The doors of perception“ von Aldous Huxley aus den 1950er-Jahren, in dem er seine Erfahrungen zur Wahrnehmung nach der Einnahme von Meskalin als bewusstseinserweiternde Substanz beschreibt. Das Fraktal ist eine selbstähnliche Struktur, die von dem Mathematiker Benoît Mandelbrot in den 1970er-Jahren erstmals als solche bezeichnet wurde und als Begriff in die Mathematik eingeführt wurde. Ein Fraktal lässt sich unendlich in gleicher Form aufteilen und nimmt so teilweise spiralartige Formen an. In der Natur findet man solche Strukturen beispielsweise bei Kristallen oder dem Romanesco-Brokkoli. Die fraktale Struktur wird auch als Dimension bezeichnet. Mandelbrot gelang es damals mithilfe von frühen Computerdarstellungen diese Struktur erkennbar zu machen. Geschickt kombiniert Thomas Ruff diese beiden Phänomene in seiner Serie „d.o.pe.“ mit neuesten Softwareprogrammen aus den 2020er-Jahren und lässt uns in scheinbar endlose Dimensionen eintauchen, bei denen die Farbe erst durch den Bildträger seine dreidimensionale Wirkung annimmt. Die künstlich generierten Bilder sind nämlich erstmals in dem Werk von Thomas Ruff auf Veloursteppiche gedruckt. Die samtige Oberfläche des Stoffes verstärkt die Tiefenwahrnehmung dieser faszinierenden Bildwelten.
Parallel dazu ist die Serie „untitled#“ entstanden. Hierfür ließ Ruff Drahtgebilde an einer Nylonschnur vor einem schwarzen Hintergrund von der Decke hängen und fing die Lichtspuren, die durch die unkontrollierbaren Pendelbewegungen entstanden sind, fotografisch ein. Inspiriert zu diesen Lichtexperimenten wurde der Künstler wie so oft durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Fotografie. In den 1950er- und 1960er-Jahren nutzten Peter Keetman und Heinrich Heidersberger mit ihren Rhythmogrammen und Etienne Bertrand Weill mit seinen „Metaforms“ die Fotografie auf eine experimentelle Art und Weise, um abstrakte Bilder aus Licht und Schatten zu kreieren. Thomas Ruff wollte dieser Technik auf den Grund gehen und nutzte dafür wie bei der „Flower.s“ Serie nach längerer Pause wieder die eigene Fotokamera. Die „untitled#“ Serie wirkt ähnlich geheimnisvoll wie die „d.o.pe.“ Serie. Die schwungvollen Formen und Bewegungen nehmen die Bildfläche für sich ein, Thomas Ruff bietet ihnen dafür die Bühne.
Thomas Ruff (*1958 in Zell am Harmersbach) ist eine feste internationale Größe der Fotokunst. Angefangen als einer der ersten Vertreter der Klasse von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie in den 1980er-Jahren, fehlen seine Arbeiten mittlerweile in keiner fundierten Sammlung für Fotografie. Das serielle Arbeiten begleitet sein Œuvre seit über 40 Jahren. Durch seinen technischen Erfindungsreichtum gelingt es ihm stets, dem Medium selbst einen neuen Kontext zu verschaffen und führt uns immer wieder die Diskrepanz aus neuester Technik und alten Sehgewohnheiten vor Augen. 2022 war zuletzt eine groß angelegte Überblicksausstellung seiner Werke im Musee d’art moderne et contemporain de Saint-Étienne Métropole (MAMC) in Frankreich zu sehen. (J. Singer)
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