Die Duoausstellung, die in Zusammenarbeit mit Meyer Riegger in der Galerie Rüdiger Schöttle zu Various Others 2024 eröffnet, zeigt die Arbeiten der Textilkünstlerin Sheila Hicks und der Bildhauerin Katinka Bock erstmals im Dialog.
Auf den ersten Blick gibt es zwischen den beiden nicht viele Ähnlichkeiten: Hicks, 90 Jahre alt, geboren in Nebraska und Bock, 48 Jahre alt, geboren in Frankfurt am Main. Beide leben seit Jahren in Paris. Erstere arbeitet mit Wolle, Leinen und Seide, mit weichen Materialien. Bock verwendet Ton, Keramik, Glas, Holz, Stein, Kupfer, Bronze – manchmal aber auch Textilien.Die Arbeiten von Bock sind immer ortsspezifisch, nehmen also Bezug auf den Raum. Je nach Ort und Zeit der Ausstellung sind ihre Werke einmalig. Bevor die Künstlerin anfängt, für eine Schau zu arbeiten, sieht sie sich die Räume an und stellt sich Fragen, wie: Was fehlt hier? Und meist auch: Wie kann ich die Abgeschlossenheit dieses Raums aufbrechen? Bocks Wandarbeit „Various horizons“ (2024), die sie für diese Ausstellung konzipierte, suggeriert eine Bergkette an einer Stelle, wo man sonst nur eine kahle Hausfassade sieht.
Bocks Arbeiten sind weder symbolisch noch metaphorisch. Sie stehen nicht für etwas anderes, sondern nur für sich selbst – ihr Material. Wie Bock schreibt: „Mich interessiert es, dass eine Zitrone eine Zitrone ist.“ Während Bocks Arbeiten ausgehend von der Immanenz des Hier und Jetzt ihre Bezüge entfalten, knüpfen die Werke von Sheila Hicks unverwandt an das Metaphorische an. Danto (2006) spricht von der altgriechischen Vorstellung des Webens bei Hicks als Analogie für die Polis, den Staat: ein fein verwobenes Netz von Abhängigkeiten.[1]
Wie Bocks Werke, sind auch Hicks’ Arbeiten meist ortsspezifisch: Zu einem Turm aufeinandergestapelte Stoffballen baut sie zum Beispiel so in den Ausstellungsraum hinein, dass sie die Architektur zu stützen scheinen. Ihre Werke, stets aus den weichen Materialien wie Wolle, Leinen oder Seide, treten dabei jedoch direkt in einen Dialog mit der Architektur als solche, und weniger mit den gesellschaftlichen und historischen Bezügen, die diesen zugrunde liegen, wie das bei Bock der Fall ist. Abhängig von den Gegebenheiten und den Kräften im Raum sind Hicks Werke trotzdem auch – vor allem von der Schwerkraft. Oft hängen die Schnüre oder Stoffnetze ihrer Arbeiten vertikal von der Decke oder von ihren Trägern und falten sich dann üppig auf dem Boden übereinander, so wie in der Arbeit „not yet titled“ (2024).
Obwohl sie sich schon früh der Textilkunst zuwandte, manifestiert sich die Malerei als künstlerische Basis bis heute in Hicks’ Werken. „Untitled“ (2024) lehnt sich an die Tradition der abstrakten Malerei an. Durch die Verbindung verschiedenfarbiger Leinenschnüre erzielt Hicks subtile, oszillierende Farbeffekte. Im Gegensatz zur Malerei sind Bildträger und Farbe jedoch nicht getrennt, sondern bilden eine Einheit. Farbe spielt bei Hicks wie bei Bock eine Rolle. Während es Bock aber einige Überwindung kostet, wie sie selbst sagt, ihrem künstlerischen Kosmos eine neue Farbe hinzuzufügen – bislang verwendet sie in erster Linie Blau, und das Gelb, das in der Ausstellung zu sehen ist, ist eine Neuerung – kombiniert Hicks stets neue Farben und bringt die unterschiedlich farbigen Schnüre, wie „in Meeting on the staircase 1 und 2“ (2023) direkt auf Tuchfühlung. Zusammen ergeben sie ein Bild von Üppigkeit und Fülle.
Während die Grundlage für Hicks’ Arbeiten das Hinzufügen von etwas – einer Farbe, einer Schnur – ist, bildet das Begrenzen die Basis für die Arbeiten von Bock. Im Dialog werden diese künstlerischen Herangehensweisen besser nachvollziehbar. Auch wenn sie das auf unterschiedliche Weisen tun: Feinfühlige Beobachterinnen von uns Menschen, unseren Ritualen und den Kontexten, in denen wir uns tagtäglich bewegen sind sie beide allemal. (Alicja Schindler)
[1] Arthur C. Danto: „Weaving as Metaphor and Model for Political Thought”, in: Nina Stritzler-Levine (Hg.): Sheila Hicks. Weaving as Metaphor, S. 22–36.