Judith Adelmann begreift ihre künstlerische Praxis als einen Prozess des Prüfens der Interaktion zwischen Visuellem und Taktilem. Der Betrachter findet Oberflächen vor, die keine sofortige Materialzuweisung zulassen und strukturell kontrastierende Momente aufweisen. Durch den Einsatz verschiedener Materialien werden die Komplexität des sensorischen Körpers erkundet sowie Klischees bezüglich der Stofflichkeit befragt. Neben formalen Bestrebungen erzeugt die Künstlerin Situationen, die Momentaufnahmen in Transformationsprozessen wahrnehmbar machen. Es sind Provisorien in skulpturaler Form, die zwischen Auflösung und Bestehen oszillieren und denen das Verschwinden bereits innewohnt. Judith Adelmann studiert an der Akademie der Bildenden Künste München in der Klasse von Markus Karstieß – ehemals Klasse Norbert Prangenberg.
Mickael Marman kombiniert gemusterte Stoffe mit einer spontanen Malerei in drip painting Manier. Als Bordüren oder quer verlaufende Bildkomponenten stehen die bunten Waxprints, die in Westafrika sehr beliebt sind, in Relation und Kontrast zu den üppig-pastosen, malerischen Elementen. Thematisch knüpft Marman dabei an Themen wie kulturelle Identität und (Post-)Kolonialimus an: Die Textilien, die in Europa unter anderem durch die Dutch East India Company im Batikverfahren gefertigt wurden, gewannen in Westafrika im 19. Jahrhundert an Popularität und stehen noch heute für Status und Wohlstand. In den Arbeiten wird durch den Einsatz der Stoffe auf europäische Marktmacht – europäische Kolonialländer wussten geschickt Profit aus ihrem Textilhandel mit Asien und Afrika zu schlagen – als auch auf Exotismus referenziert: Bei einer heutigen Anschauung der Stoffe als typisch afrikanisch handelt es sich so um eine Verklärung, wurden sie doch eigentlich in Europa produziert und dann verschifft. Marmans abstrakte Arbeiten verweisen darüber hinaus gleichzeitig auf Künstler der amerikanisch-europäischen Avantgarde und deren Beeinflussung durch ethnische Kunst. Mickael Marman studierte in an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Jutta Koether und an der Städelschule in Frankfurt am Main bei Michael Krebber und Josef Strau.
Sophie Reinholds zarte Arbeiten aus den Materialien Graphit, Bitumen, Marmor oder anderen Mineralien thematisieren die Fiktion des Naturalismus. Der Einsatz von Farbe wird von der Künstlerin als Moment persönlicher Anwesenheit verstanden, nicht als eine Möglichkeit, um eine Situation, eine äußerliche Stimmung oder einen Ort darzustellen. Reinhold rückt einem zu emotionalen und subjektiven Ausdruck jedoch sogleich zu Leibe: Durch das lasierende, wiederholte Auftragen der Ölmalerei auf geschliffenen Marmormehlschichten und ihre gegenseitige materielle Einebnung verlieren die inhärenten Affekte und expressiv aufgeladenen Gesten an Halt und es bleiben nur mehr glatte Flächen, in denen sich dezente Farbnebel auftun. Reinhold kontrastiert diese schwerelose Diffusität mit fragilen, aber klaren Linien-, Balken- und Wellenstrukturen. In den Oberflächen bleibt ein tiefschichtiger Nachhall von Malerei spürbar, der beim Betrachter, wie bei der Versenkung in ein Götzenbild, eine äußerst betörende Wirkung entfacht. Die Ausarbeitung des Erhabenen in der Malerei und die nicht darstellbare Empfindung sind der Künstlerin dabei ein Anliegen. Sophie Reinhold hat in der Klasse von Antje Majewski an der KHB (Kunsthochschule Weißensee) in Berlin studiert, zuvor bei Amelie von Wulffen an der Akademie der bildenden Künste in Wien sowie an der HGB in Leipzig.
Elif Saydams Œuvre speist sich aus surrealistischen Stilelementen, aus der Abstraktion als auch aus dem Cartoon – sie arbeitet sowohl mittels Malerei als auch dem Text. Thematisch greift sie gesellschaftliche Geschlechterzuschreibungen vor dem Hintergrund sozialer Rituale und typisierter Figuren auf. Immer wieder tauchen Motive wie der Cowboyhut oder der Matador auf, die für Wagemut und Abenteuer stehen und somit indirekt nach mangelnden weiblichen Super- und Abenteuerheldinnen fragen. Der Einsatz von transparenten Nylon- und Chiffonstoffen sowie von Blattgold bricht wiederum mit den männlich konnotierten Kraftsymbolen. Ein weiteres Interesse der Künstlerin liegt in der Behandlung des kreativen Arbeitsprozesses zwischen Ablenkung und Inspiration. Sie thematisiert die Phase vor dem eigentlichen künstlerischen Hergang als auch während der Arbeit auftretende Leerstellen. Elif Saydam ist Mitwirkende im Künstler- und Autorenkollektiv Pure Fiction und hat bei Monika Baer und Amy Sillman an der Städelschule in Frankfurt am Main studiert.
Anina Troesch verbindet mit ihren skulpturalen Arbeiten und großformatigen Installationen formale Paradoxe. Ihre textilen Collagen erzeugen mit einfachen Mitteln Kombinationen verschiedener Genres und behandeln Fragen nach Grenzen oder Identität. In der Gruppenausstellung zeigt Troesch die Arbeit „flag“ aus dem Jahr 2016. Troesch studierte in der Klasse von Judith Hopf an der Städelschule in Frankfurt am Main.
Die Keramikarbeiten des jungen Künstlerduos R-R weisen amorph-rätselhafte Formen auf – unter den Skulpturen befinden sich Darstellungen von zwischen natürlichen und technischen Strukturen oszillierenden Organismen als auch Momente surrealistischer Konstellationen. Ihre Motive sind Masken, Kronen, Wächterfiguren oder Sarkophage und entfalten einen spielerischen Zugang, der Partizipation zulässt und an Passstücke von Franz West oder an Arbeiten des Prozesskünstlers Franz Erhard Walther denken lassen. Raphael Weilguni und Viola Relles Arbeiten bestechen durch eine Präsenz, die konträre Materialeigenschaften und Aggregatszustände wie Schwere und Härte sowie Fragilität und Nachgiebigkeit spüren lassen wie auch durch eine Ästhetik des Unvollendeten. Die Arbeiten wirken so teilweise wie archäologische Fundstücke und regen zu Gedanken über Zivilisationsprozesse und kulturanthropologische Fragestellungen an wie über den Menschen als kulturellen Schöpfer und zugleich als Geschöpf der Kultur. Mit ihren „Heros“ stellen Weilguni und Relle Überlegungen zu Versprechungen an, die man glauben muss und erst einmal nicht gleich verifizieren kann. Weilguni und Relle studieren an der Akademie der bildenden Künste München – Weilguni in der Klasse von Jean-Marc Bustamante, Relle hat bei Norbert Prangenberg und Kerstin Brätsch studiert und arbeitet aktuell in der Klasse von Markus Karstieß.
(S. Kunz)
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