57 Pinguine, in Wawaholz geschnitzt, zeigte Stephan Balkenhol 1991 unter anderem im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt. Das Publikum war begeistert von dieser Pinguin-Population, die sich in allen Variationen präsentierte: sitzend, stehend, liegend, brütend, laufend, schwimmend. Die aus einem einzigen Holzblock gearbeiteten Skulpturen wirken auf den ersten Blick in ihrer Sujetwahl simpel, zeugen aber nicht nur von der Virtuosität seines handwerklichen Könnens, sondern auch von seiner ständigen Hinterfragung des menschlichen Daseins. Denn der Mensch steht seit mehr als dreißig Jahren im Mittelpunkt des Schaffens von Stephan Balkenhol.
Neben den mittlerweile zahlreichen geschnitzten "menschlichen Pinguinen" – Mann mit weißem Hemd und schwarzer Hose – die in Anzahl und Variation die Frankfurter Pinguine bei Weitem übertreffen, widmet sich Stephan Balkenhol vor allem dem Thema Mann und Frau. In der zuletzt gezeigten, umfassenden Werkschau im Landesmuseum in Linz wurde dies wieder einmal überdeutlich: Eine rote Fächer-Konstruktion zeigt von der einen Seite gesehen einen Mann, erst beim Umschreiten der Bodenskulptur erblickt der Betrachter von der anderen Seite eine Frau, beide in paradiesischer Nacktheit. Nicht unweit davon räkelt sich anmutig ein "Hermaphrodit" (2013), daneben entspannt ein "Satyr" (2014) in der erotischen Pose des berühmten Baberinischen Faun. Ein Nackter, nur mit einer braunen Jacke bekleideter Mann, der sein Gesicht verhüllt, steht vor einem Relief, das wie ein Stück Höhlenmalerei an die Ursprünge menschlichen Kunstschaffens erinnert.
Zahlreich sind auch Stephans Balkenhols Bronzeskulpturen im öffentlichen Raum, oft ist es der ganz normale Mensch, der im Blickpunkt steht. Ein Bronzener Balkenhol-Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose balanciert – als einprägsames Symbol der Wende – auf einer Mauer unweit des ehemaligen Todesstreifens der Berliner Mauer ("Balanceakt", 2009). Selbst der junge Richard Wagner in Leipzig (2013) ist bei Balkenhol in erster Linie Mensch, lediglich der vier Meter hohe Schatten hinter der Skulptur zeugt von seiner enormen Schaffenskraft; auch die Skulptur des Widerstandskämpfers Jean Moulin in Metz (2014) zeigt einfach den Menschen ohne jeglichen Pathos.
Stephan Balkenhol steht in der Tradition der Bildschnitzer und vermag es wie kein anderer dem menschlichen Dasein immer wieder neuen Ausdruck zu verleihen. Seine Figuren sind mal zart aus hartem Holz, mal grob aus eher weichem Holz und bestehen fast immer aus einem durchgehenden Holzstück. Die Skulpturen werden zunächst mit der Kettensäge aus den Holzklötzen gesägt, um dann mit Beitel und Stichel in Feinarbeit herausgeschält zu werden. Abschließend werden sie noch farbig gefasst. Trotz ihrer rauen Oberflächenstruktur mit abstehenden Spänen sind sie in unglaublicher Präzision gefertigte Skulpturen in Menschenform. Man kann sich diesen, dem Holz entlockten Figuren, nicht entziehen und steht immer wieder fasziniert vor ihnen. Die Galerie Rüdiger Schöttle wird in der kommenden Ausstellung keine Pinguine zeigen, wir sind gespannt auf neue Werke von Stephan Balkenhol.
(I. Lohaus)
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