Thomas Ruff ist einer der international renommiertesten Fotokünstler. Wer seine Fotografien, die immer technischen Neuerungen unterliegen, im Original sieht, kann sich deren Wirkung kaum entziehen. Die Galerie Rüdiger Schöttle zeigt zwei Serien, die sich auf eines der ältesten Genres der Kunst beziehen: den Akt. Thomas Ruff hat in seinen Serien immer etwas Neues erschaffen, angetrieben durch die Neugier des wissenschaftlichen Künstlers und der Praxis eines konzeptuellen Fotografen.
In der "nudes"-Serie griff Thomas Ruff erstmals das klassische Thema des weiblichen Aktes auf. Ausgehend von der Überlegung, wie ein Aktfoto in seiner eigenen künstlerischen Ausdrucksweise auszusehen vermag, recherchierte Thomas Ruff Ende der 90er Jahre im damals noch jungen Internet und stieß schließlich auf Sex- und Pornoseiten in schlechter Auflösung. Aus dem Interesse an der Struktur dieser digitalen Bilder und an der Bearbeitung der Pixelstrukturen ergab sich schließlich Thomas Ruffs erste "nude". Heute sind seine "nudes" weltbekannt – die Galerie Schöttle zeigt in ihrer Ausstellung ganz unterschiedliche Beispiele und Ausformungen dieser digitalen Aktfotografie.
Thomas Ruff ist bekannt dafür, dass er immer wieder neue Methoden entwickelt und gängige Begriffe von Fotografie ständig erweitert. So auch in seiner jüngsten Serie, den "Negatives". Hierin bezieht er sich auf den Beginn der Fotografie und greift auf Fotografien aus dem 19. Jahrhundert zurück. Rein aus Blautönen bestehend, erinnert der neue Werkkomplex an das Verfahren der Cyanotypie – ein Verfahren zur Herstellung von Fotografien, das bekannt wurde durch die Naturwissenschaftlerin Anna Atkins, die damit Pflanzen präzise zu dokumentieren vermochte. Thomas Ruff erwarb historische Fotografien aus dem 19. Jahrhundert, darunter Aufnahmen von Künstlerateliers, Porträts und Aktfotografien. Diese alten Fotografien scannte er ein, invertierte die Farbskala digital und erstellte eine blautonige Fotografie in Originalgröße des ursprünglichen Negativs.
Im Vergleich zu Ruffs "nudes"-Serie sind diese Aktdarstellungen von einer wunderbaren historischen Ästhetik geprägt. Die Idee für die "Negatives" kam Thomas Ruff während der Arbeit an den Fotogrammen, die aus einem von ihm an Hochleistungsrechnern entwickelten virtualisierten Prozess der historischen Foto- grammtechnik entstanden, bei der er die Bilder immer wieder als Positiv und als Negativ betrachtet. Bei den "Negatives" entstehen durch die Invertierung ganz neue Kompositionen mit einer neuen Hell-Dunkel-Wertigkeit, die komplett andere Tiefenwirkungen erzielen, die Plastizität steigern und damit eine neue Seherfahrung ermöglichen.
Mit dem Titel "Negative" thematisiert Ruff ferner den Wegfall von Negativen in einer digitalisierten Welt, deren neue Generation kaum noch mit dem Negativ als Vorstufe von Fotografie in Berührung kommt.
(I. Lohaus)
Anfrage
Vielen Dank für Ihre Anfrage!
Wir werden uns baldestmöglich bei Ihnen melden.
OK